[50]
(1) Am folgenden Tage ließ Cäsar seiner Gewohnheit gemäß seine Truppen aus beiden Lagern ausrücken und stellte sie, nachdem er ein Stück vom größeren Lager vorgerückt war, in Schlachtordnung auf und bot den Feinden Gelegenheit zum Kämpfen.
(2) Sobald er sah, daß sie auch jetzt nicht vorrückten, führte er gegen Mittag die Truppen in die Lager zurück. Jetzt erst schickte Ariovist einen Teil seiner Truppen vor, der das kleinere Lager angreifen sollte.
(3) Auf beiden Seiten kämpfte man erbittert bis zum Abend. Bei Sonnenuntergang führte Ariovist, nachdem viele Wunden beigebracht und erlitten worden waren, seine Streitkräfte ins Lager zurück.
(4) Als Cäsar die Gefangenen fragte, weshalb Ariovist keine Entscheidungsschlacht liefere, erfuhr er das als Grund, daß bei den Germanen der Brauch herrsche, daß ihre Familienmütter durch Losstäbchen und Weissagungen kund täten, ob es von Vorteil sei, eine Schlacht zu liefern oder nicht; diese sprächen folgendermaßen; es sei nicht göttliches Recht (der Wille der Götter), daß die Germanen siegten, wenn sie sich vor dem Neumonds in einen Kampf einließen.
[51]
(1) Am folgenden Tage ließ Cäsar in beiden Lagern eine Besatzung zurück, die ausreichend zu sein schien, und stellte alle Hilfstruppen angesichts des Feindes vor dem kleineren Lager auf, weil er an der Zahl der Legionssoldaten im Verhältnis zu der Zahl der Feinde schwächer war, damit er sich der Hilfstruppen zum Scheine bediente (d. h. um Legionssoldaten vorzutäuschen); er selbst rückte in Schlachtstellung von drei Treffen bis ans Lager der Feinde heran.
(2) Jetzt erst führten die Germanen ihre Scharen notgedrungen aus dem Lager und stellten sie nach Völkerschaften in gleichen Abständen auf; Haruden, Markomarinnen, Tribocer, Vangionen, Nemeter, Sedusier und Sueben, und ihre ganze Aufstellung umgaben sie mit ihren Wagen und Karren, damit keine Hoffnung in der Flucht bleibe.
(3) Dorthin (auf diese Wagenburg) brachten sie die Frauen, die die in die Schlacht Ziehenden mit ausgebreiteten Armen (Gebärde der flehenden) unter Tränen anflehten, sie nicht in die Knechtschaft der Römer fallen zu lassen(wörtl.: zu übergeben).
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(1) Cäsar stellte an die Spitze der einzelnen Legionen je einen Legaten (Generaladjutant) und Quästor (Generalintendent), damit sie jeder als Zeugen seiner Tapferkeit habe;
(2) er selbst begann auf seinem rechten Flügel den Kampf, weil er bemerkt hatte, daß dieser Teil der Feinde am wenigsten stark war.
(3) So hitzig griffen die Unsrigen die Feinde an, als das Signal gegeben war, und so plötzlich und schnell stürmten die Feinde vor, daß keine Zeit blieb, die Wurfspeere auf die Feinde zu schleudern. So warf man die Speere beiseite und kämpfte Mann gegen Mann mit den Schwertern.
(4) Aber die Germanen bildeten schnell nach ihrer Gewohnheit eine Phalanx und fingen die Schwerterangriffe auf.
(5) Es fanden sich mehrere Soldaten von uns, die auf die Phalangen lossprangen, die Schilde mit den Händen herunterrissen und (die Gegner) von oben herab verwundeten.
(6) Während nun die Schlachtlinie der Feinde auf dem linken Flügel geworfen und in die Flucht geschlagen war, bedrängten sie auf ihrem rechten Flügel infolge der Menge der Ihrigen unsere Schlachtlinie heftig.
(7) Als das der junge Publius Crasaus, der die Reiterei befehligte, bemerkte, weil er weniger behindert war (beweglicher war und die Lage besser überschauen konnte) als diejenigen, die im Kampfe standen, schickte er das dritte Treffen den bedrängten Unsrigen zu Hilfe.
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(1) So wurde der Kampf wiederhergestellt (wiederbegonnen), und die Feinde ergriffen alle die Flucht und härten nicht eher auf zu fliehen, als bis sie an den Rheinstrom gelangten, ungefähr 5 000 Doppelschritte (7,5 km) von dieser Stelle (d. h. von dem wohl im Oberelsaß zu suchenden Schlachtfelde) entfernt
(2) Hier bemühten sich entweder nur sehr wenige, im Vertrauen auf ihre Kräfte hinüberzuschwimmen, oder sie fanden auf aufgefundenen Kähnen für ihre Person Rettung.
(3) Zu diesen gehörte Ariovist, der einen am Ufer angebundenen Nachen zufällig erlangte und auf ihm entkam; alle übrigen holten die Unsrigen mit der Reiterei ein und töteten sie.
(4) Darunter waren die zwei Frauen Ariovists, die eine suebischer Nation, die er von daheim mit sich geführt hatte, die andere aus Noricum gebürtig, des Königs Voccis Schwester, die er in Gallien geheiratet hatte, vom Bruder zugeschickt; beide kamen auf dieser Flucht um. Es waren auch zwei Töchter vorhanden; von diesen wurde die eine getötet, die andere gefangengenommen.
(5) Als Gajus Valerius Procillus, mit drei Ketten gefesselt, von seinen Wächtern auf der Flucht mitgeschleppt wurde, stieß er auf Cäsar selbst, der die Feinde mit der Reiterei verfolgte.
(6) Dieser Umstand bereitete Cäsar nicht geringeres Vergnügen als der Sieg selbst, weil er den hochangesehenen Mann der Provinz Gallien, seinen persönlichen Vertrauten und Gastfreund, den Händen der Feinde entrissen und sich wiedergegeben sah und weil das Geschick seine so große Freude und seinen (so großen) Jubel nicht in irgendetwas durch dessen Tod vermindert hatte.
(7) Dieser erzählte, daß in seiner Gegenwart dreimal mit Losstäbchen beraten worden sei, ob er sogleich durch Feuer getötet oder für eine andere Zeit aufgespart werden solle; durch die Gunst der Lose sei er noch wohlbehalten. Ebenso fand man Marcus Metius auf und führte ihn zu Cäsar zurück.
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(1) Als diese Schlacht jenseits des Rheines gemeldet worden war, fingen die Sueben, die an die Ufer des Rheines gekommen waren, sofort an heimzukehren; die Uber, die dem Rheins zunächst wohnen, setzten ihnen, die in Schrecken geraten waren, nach und machten eine große Zahl von ihnen nieder.
(2) Nachdem Cäsar in einem Sommer zwei sehr große Kriege beendet hatte, führte er etwas zeitiger, als es die Jahreszeit erforderte, sein Heer zu den Sequanern in die Winterquartiere.
(3) Den Befehl über die Winterquartiere übertrug er Labienus; er selbst brach nach dem diesseitigen Gallien auf, um Gerichtstage abzuhalten (eine der Obliegenheiten des Provinzstatthalters).